Die „Visions of Gideon“ machen sich vor allem in meinem Gehörgang bemerkbar. Der Ohrwurm will mich nicht mehr verlassen und während ich noch darüber nachdenke, ob Sufjan Stevens Gideon erscheint oder er die Visionen, die Gideon hatte, besingt, schreite ich die Invalidenstraße entlang, die sich passenderweise dem Gelände der Charité anschließt.
Dort habe ich gerade in Einweckgläser eingemachte mehrköpfige Schafsföten bewundert und aufgedunsene Nieren. Mehrere Künstler haben ihr Kranksein als Comic festgehalten. Eine Tochter beschreibt, wie ihre an Alzheimer erkrankte Mutter im Auto plötzlich eine Erleuchtung hat, als sie in einer Taube den Wolkenwächter erkennt. Visions of Gideon.
Gideon, der erst den Götzen niederriss und zum Helden wurde, nur um dem später doch wieder zu verfallen, „I have loved your for the last time“. Das hätte auch die Tochter zur Mutter sagen können. Visions of Gideon, Aufstieg und Fall in Dauerschleife. Doch für einen Moment lässt sich die Tochter von dem Wolkenwächter mitreißen, „I flew up to your arms“, und alles hängt in der Schwebe.
Und ich halte mich an der letzten Songzeile fest, „for the love, for laughter“, Visons of Gideon hin oder her, das ist ein gutes Motto.
Foto: Fenster im Durchgang des Hamburger Bahnhofs Berlins zum Restaurant
Musik: Visions of Gideon von Sufjan Stevens
Zitierter Comic: Keeper of the Clouds. Liza Futerman (Text), #EviTampold (Illustration)