Bei schönem Wetter gehe ich gern mit Baron Münchhausen um die Alster. Man muss sich ja fit halten. Zwischendrin setze ich mich und werfe Stöckchen für den Baron oder schaue den Blesshühnern bei der Aufzucht ihres Nachwuchses zu. Manchmal gönne ich mir sogar eine Kugel Heidelbeereis. Immer wieder treffe ich bekannte Gesichter. So auch heute, als mir Alwin mit seinem Labrador entgegen kommt.
Sofort beschnuppern sich die beiden Hunde und zerren uns hierhin und dorthin. Der Baron hatte sich einen schwarz besprühten Schaltkasten zum Markieren ausgewählt. Darauf ist ein kleiner Junge zu sehen. Vorwurfsvoll deutet er auf ein schwarzes Herz. Es ist viel zu groß im Verhältnis zu dem Jungen, als sei es vor lauter Bösartigkeit aufgequollen. Darunter das Gekrakel des Urhebers. Wieder so ein Kerl, der seiner Mutter für alles Unbill im Leben die Schuld gibt. Was ist?, fragt Alwin und sieht den Kasten. Wortlos dreht er sich weg und steuert die nächste Bank an.
Geht’s dir nicht gut?, frage ich, denn er sieht ganz blass aus. Es bringt alles wieder zurück, sagt er, von damals, dem Motorradunfall. Ich drehe mich um und musterte den Kasten mit neuen Augen. Es stimmt, der Kopf des Kinds wirkt klobig, als ob es einen Motorradhelm trägt. Das gleißende Licht, sagt Alwin mit brüchiger Stimme, das habe ich damals auch gesehen. Er war knapp mit dem Leben davon gekommen, sein Enkel nicht. Und dann das Herz, fährt er fort, als ob seine Seele schon vorausschwebt. Für eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander. Dann frage ich Alwin, ob er Lust auf einen Kaffee hat. Das ist ja mal was Neues, sagt er erfreut. Wie lange kennen wir uns schon? Ich hake mich bei ihm unter, die Hunde trotten hinterher, als ein Mädchen auf den Kasten zuläuft. Mami, schau mal, ruft es. Jemand hat einen Herzluftballon gemalt. Das Mädchen steht vor dem Kasten und deutete mit ausgestrecktem Arm darauf. Es gibt wohl mehr als eine Wahrheit.