„Was ist der Unterschied zwischen Barmbek und Miami?“, fragt Georg und schiebt die Antwort gleich hinterher: „In Barmbek wache ich morgen auf, in Miami nicht.“
Ansonsten sei alles ziemlich gleich: Mädchen in Bikinis und Flipflops. Jungs in Badeshorts und Flipflops, schiebt er für mich hinterher, knallblauer Himmel, gelb getünchte Häuser mit sanft geschwungenen Balkonen. Okay, Pappeln statt Palmen. Aber das seien Details. Surfbretter – „SUP Boards“, korrigiert mich Georg – reihen sich aneinander, Wasser glitzert, eine Möwe kreischt. Kein Sand zwischen den Zehen, aber der Geruch von Pommes in der Nase. Türkisfarbene Sonnenschirme auf dem Balkon. Vielleicht doch Miami, denke ich. Jemand versucht, einen Trailer mit einer Jolle kratzerfrei durch die zugeparkte Straße zu bugsieren und dabei keine Fußgänger anzurempeln.
Endlich ein Boot ergattert. Zunächst spiralförmig, später zunehmend wellenlinienförmig bewegen wir uns vom Anleger weg und in den Kanal hinaus. „Hinten nur lenken“, ruft uns jemand aus einem vorbeigleitenden Achter zu. Na, dann. Entspannt lehne ich mich zurück und träume von einer großartigen Zukunft. Irgendwann, werde ich in einem dieser Bauhaus-Appartements in Miami wohnen und sexy Hulks am Strand begegnen, statt sie auf dem Computer zu animieren. Ich werfe Georg einen schuldbewussten Blick zu. Er hat sich echt ins Zeug geworfen für unser erstes Date. Er plappert munter vor sich hin. Denkt er nie über den nächsten Tag hinaus? Hat er keine Träume?
Das Hupen einer Alsterfähre schreckt mich auf. „Hey, was schaust du so entgeistert?“, fragt Georg, während ich uns hektisch unter eine Trauerweide manövriere. Ich schaue mich um, eine Entenfamilie watschelt ins Unterholz, Boote ziehen an uns vorbei. Ich spüre Georgs Blick auf mir und greife nach seiner Hand. Sie ist ganz warm von der Sonne. Vielleicht nicht Hulk und nicht Miami, aber er ist jetzt hier. Von Miami kann ich auch noch träumen, wenn es regnet.
Der Bildausschnitt aus Miami stammt aus einem H&M Katalog.