Der Wolfsjunge steht gelassen da und schaut mich an, Gasmaske in der Hand. Seine Augen sind gelb, wie es ich für einen Wolf gehört. Allerdings ist das, was ich zunächst für seine Schnauze halte, das Loch im Schädel direkt unter dem Nasenbein. Und was wie eine Brille scheint, sind die Schatten der Augenhöhlen. Um die Mundpartie herum fehlt die Haut, fehlt das Fleisch, der Knochen liegt blank, das Gebiss – ein menschliches – ist freigelegt.
Ob die Gasmaske seinen Mund verätzt, die Haut abgeschmolzen hat? Aber auch der linke Arm des Jungen fehlt, hat sich aufgelöst. Da erst bemerke ich, der Junge ist ein Aufkleber, kein Graffiti. Vortäuschen falscher Tatsachen: Erst die Spezies – Hund oder Mensch – , dann der Lebensgehalt, dann die Kunstform. Nur die Schnecke, die an dem Knie des Jungen hochkriecht ist definitiv am Leben – oder etwa nicht? Die Dinge sind selten, was sie scheinen.
Aus welcher Superheldengeschichte der Junge entsprungen sein mag? Und warum hat er sich die Gasmaske abgenommen, hält sie lässig in der Hand. Ist die Apokalypse bereits überstanden? Akira kommt mir in den Sinn und dann, dass dessen Geschichte in Neo-Tokyo 2019 angesiedelt ist. Noch zwei Jahre also. Aber auch an Akela muss ich denken, der sich schützend vor Mogli stellt. Vielleicht sähe Mogli so aus, wenn er bei den Tieren geblieben wäre.
Akira-Akela, bereits in der Auflösung begriffen, zum Teil schon verwest, mustert mich ruhig. Was regst du dich auf, scheint er mich zu fragen? Angesichts der Tatsache, dass ich mich weder vor Zombies noch Mutanten verstecken muss und auch keine Gasmaske benötige, um heil durch die Straßen Hamburgs zu gelangen, sollte ich mir vielleicht eine Scheibe von ihm abschneiden und entspannter der Zukunft entgegengehen.