Weinberge, Rebstöcke stehen stramm, die Treppen dazwischen sind überwuchert. Die Trauben mal blau, mal grün, manchmal beides. Der Sommer ist endlich da, der Himmel entsprechend blau. Eine Katze maunzt und schließt sich uns an. Zu wenig Mäuse. Das Problem habe ich auch. Ich kann mich auf den Kopf stellen, tun und lassen, was ich will: es wird nicht mehr. Bleibt als Unterhaltung: spazieren gehen, eine Freundin untergehakt. Es gebe hier einen Skulpturenpfad. Ich sehe nur rote Dächer, weiße Häuser. Vorgärten, Carports und verschiedenfarbige Mülltonnen. Wohl geordnet und wohl situiert. Ein alter Mann fegt das Gras.
Wir gehen weiter, lassen die Häuser hinter uns, steigen hinauf. Wir kommen an einer Liegenden aus Bronze vorbei. Die dicken Frauen, sagt meine Begleiterin, sind vom Alten, dem Vater, die dünnen von dem Jungen. Wie alt der sei, will ich wissen. Über sechzig. Wir bleiben stehen, schnappen nach Luft. Ich wische mir die Stirn und bin froh, dass ich nicht hier arbeiten muss, wie der Mann ein paar Meter weiter. Er reibt lose Rinde von den Rebstöcken. Es sieht aus, als ob er seiner Geliebten mit einem Massagehandschuh den Rücken schrubbt.
Wie die Rebstöcke so in Reih und Glied stehen, bilden sie ein V mit Blick auf die Talkuhle. Eigentlich ganz hübsch. Irgendwie befriedigend. Etwas weiter knabbert eine überdimensionierte Ziege an einem Obstbaum. Gute Idee. Ich pflücke ein paar Zwetschgen. Hier in der Nähe nahm der Bauernaufstand seinen Anfang. Wir erreichen eine Gabelung. Rechts schraubt sich die Straße weiter den Hang hinauf, links führt sie zurück zu Geranien in Übertöpfen und gefegtem Gras. Und genau hier, an dieser Wegscheide, steht ein nackter Mann und macht einen Handstand, die Füße im Himmel, den Blick direkt auf mich gerichtet. Wie großartig ist das denn. Völlig nackt die Welt auf den Kopf stellen. Ich zwinkere der Skulptur zu. You made my day.
Skulptur: Handstand (2001) von Karl-Ulrich Nuss